Die Fresken in der Martinskapelle
Ein immer wieder schönes Erlebnis ist die Betrachtung der mittelalterlichen Fresken in der Martinskapelle. Das kleine Gotteshaus in der Oberstadt öffnet jeweils zu Ostern seine Pforten und ist dann bis Oktober öffentlich zugänglich.
Die mittelalterliche Kunst und ihre Symbolik haben eine anhaltend faszinierende Wirkung auf mich. Die meisten Fresken in dem Kirchlein stammen aus dem 14. und 15. Jahrhundert, als die Menschen noch imstande waren diese Bilder zu "entschlüsseln". Diese Abbildungen und sogenannten Armenbibeln erzählten dem gemeinen ungebildeten Volk in bunten Farben, was der Pfarrer in lateinischer Sprache predigte. Teile der Heilsgeschichte und des Evangeliums. Auf alle Darstellungen und ihre Einzelheiten einzugehen ist kaum möglich, aber ein Bild hat es mir besonders angetan...
...es befindet hoch oben an der Nordwand des Gotteshauses und zeigt den Heiligen Josef als Zweifler. Da sitzt er also zu Füßen Mariens und schaut tatsächlich ziemlich verzweifelt drein. Erklärt sie ihm doch gerade, dass sie zwar im sechsten Monat schwanger, aber niemals von einem Mann berührt worden sei. „Ein ziemlich dicker Hund“ würde man heute sagen und kann sich dabei gut vorstellen, dass der gute Josef schon mal kurz vom Donner gerührt war. Ein niederschmetterndes Geständnis das seine Maria ihm da auf unserem Bild offenbart. In ziemlich selbstbewusster Pose wie ich finde.
Der Künstler hat Maria bereits in der Phase ihrer Schwangerschaft als gottgleiche Königin dargestellt. Darauf weisen ihr Heiligenschein und der Thron hin. Die Hierarchie ist also bereits festgelegt und von einem „ob seiner Verfehlung unterwürfigen Weib“, ist weit und breit nichts zu sehen. Es wirkt eher so, als ob sich ihrer Sache recht sicher ist und den Ausgang der ungemütlichen Situation bereits kennt. Maria sitzt da in grünem Gewand, der Farbe der Hoffnung, und in guter Hoffnung auf das Gotteskind das sie in sich trägt.
Josef hingegen finden wir als alten Mann. Mit seinem Attribut, dem Wanderstock. Man möchte sich die Zweifel nicht vorstellen, die er damals hatte und wie er mit seinem Schicksal gehadert hat. Doch der für seine Gütigkeit bekannte Greis (im Mittelalter ging man davon aus, dass Josef bei der Hochzeit schon um die achtzig war) ließ sich erweichen und glaubte seiner jungen Frau aufgrund eines Traumes, der ihm die unbefleckte Empfängnis bestätigt hatte.
Die Barmherzigkeit und Güte mit denen Josef in Verbindung gebracht wird, sind Tugenden des Alters. Vielleicht waren diese Tugenden der Grund, warum er Maria nicht verstoßen und sie damit vor der Steinigung bewahrt hat. Viel zu melden hatte er offenbar nicht. Der heilige Josef wird in keiner einzigen Überlieferung zitiert und auch auf dem Fresko in der Martinskapelle ist er ohne Heiligenschein abgebildet.
Solche und etliche weitere Geschichten aus der Bibel erzählen die Fresken der Martinskapelle in Bregenz.